Die Bücher, über die ich schreibe oder die ich rezensiere, wurden von mir gekauft. Es gibt keinerlei geschäftliche oder anders geartete Beziehungen zu den Verlagen, Verlagsgesellschaften oder Autoren. Wenn ein gewisser Keith Richards in einer Musikzeitschrift erklärt, dass „Er ist wieder da“ eines seiner Lieblingsbücher ist, dann könnte eine solche Aussage dem einen oder anderen schon gewaltig zu Kopfe steigen. Timur Vermes, der Bestsellerautor, der bevorzugt eine Schiebermütze zum karierten Hemd trägt, erwidert auf das Lob des Rolling-Stones-Gitarristen aber nur, dass er eigentlich schon immer eher der Beatles-Fan war. Der Erfolgsautor hat nebenbei noch eine besondere Beziehung zur Musik, er ist ein ausgezeichneter Heavy-Metal-Schlagzeuger.
Timur Vermes hat eine ganz spezielle Art zu schreiben. Dinge und Geschehnisse, die eigentlich schwer auf unserem Gemüt liegen müssten, trägt er mit einer unglaublichen Leichtigkeit vor. Was man in der deutschen Literatur nicht allzu häufig findet. Er legt die Finger auf die Wunden der Zeit und gibt die Figuren, die sich genüsslich darin suhlen, der Lächerlichkeit preis – und am Ende müssen wir erkennen, dass er eigentlich nichts anderes tut, als uns den Spiegel vorzuhalten, wenn wir darüber lachen. Das sind dann die Momente, wenn das Lachen über anscheinend komische Situationen gefriert oder uns im Hals stecken bleibt. Er nennt das Unaussprechliche beim Namen und verlässt dabei doch niemals den Boden der, sagen wir mal, politischen Korrektheit. In seinem neuen Roman „Die Hungrigen und die Satten“ noch mehr, als in seinem Debüt über den Medien-Hitler.
Als Timur Vermes 2015 mit dem Schreiben des Buches begann, war er der Meinung, dass sich die Flüchtlingsthematik in zwei, drei Jahren beruhigt haben würde. Aber dann gab Innenminister Seehofer den harten Hund in der Flüchtlingsfrage und machte auf diese Weise unfreiwilliges und fragwürdiges Marketing für Vermes‘ Roman.
Timur Vermes lässt das Unmögliche geschehen. Eine Fernsehmoderatorin, deren IQ weit unterhalb der Körbchengröße der Push-Up-BHs der von ihr kreierten Modelinie liegt, setzt einen Tross von hunderttausend Flüchtlingen in Afrika in Bewegung. Ziel des Auszugs in biblischer Dimension ist die Festung Europa, das gelobte deutsche Land. Dabei ist sich das eitle Fernsehsternchen nicht im geringsten im Klaren über die Dimension ihrer Aktion. Blind verliebt sie sich in den selbsternannten Anführer des Zuges, der mit platten, nichtssagenden Sprüchen vor den Fernsehleuten auf sich aufmerksam gemacht hat. Er ist sich der Macht der Kameras, die den Tross begleiten und als eine Art Reality-Show in deutsche Wohnzimmer senden, bewusst und nimmt das Heft des Handelns selbst in die Hand. Timur Vermes zeigt den ganzen Zynismus des Geschehens und der daran Beteiligten schonungslos auf. Denn der Flüchtlingszug der Armen kann nur funktionieren, weil er für einige Wenige ein äußerst lukratives Geschäft ist. Und die Nutznießer sitzen sowohl in Deutschland als auch in Afrika. Bei solch einer erfolgreichen Sendung sprudeln die Werbeeinnahmen des Senders. Das Volk in Deutschland ist jedoch tiefer gespalten denn je. Die Politik scheint rat- und fassungslos und findet keine Lösung des Problems.
Da ist sie also, die selbsternannte Ikone der Fernsehunterhaltung, die sich zu Höherem berufen glaubt, und da ist die Regenbogenpresse, die aus der eigentlich tragischen Geschichte ein sentimentales Rührstück macht, da sind Produzenten und Indentanten, die wegen der Dollar- und Eurozeichen in ihren Augen nicht mehr klar sehen können, da sind Politiker, die unfähig sind, Entscheidungen zu treffen und nur auf die nächsten Wahlen schielen – all das muss zwangsläufig direkt in die Katastrophe führen. Das Ende ist bitter …
Aber die Regenbogenpresse ist mit einer rührseligen Geschichte dabei.