Verfasst von: eleucht | 27. März 2019

Nachtgedanken

Oelsnitz Karfreitag 013Du fliehst der Sonne, Lady Rachel, weil du fürchtest, in ihren grellen Strahlen deiner Geheimnisse beraubt zu werden. Du liebst es, dich in das samtschwarze Gewand der Nacht zu hüllen. Es schmeichelt deinen Träumen und hält die Wirklichkeit von dir fern. Es umschließt sanft deine weiche Haut. Deine Füße berühren kaum den sandigen Boden, als schwebtest du durch die Nacht. Die beinahe unbewegte Oberfläche des Sees fängt die Sterne des Himmels ein, um sie dir zum Geschenk zu machen. Ihr magisches Glitzern spiegelt sich in deinen Augen wider. Die Nacht befreit dich von allen Zwängen. In dieser dunklen Stunde bemerkt niemand die Melancholie, die mit dem Lächeln auf deinen Lippen ringt. Befreit von aller Last schwebt deine Seele vom Wind getragen durch die Nacht.

Manchmal aber wird die Nacht zum Tier, das Auge des Mondes funkelt bösartig und verschlagen zu dir herab und erschreckt dein kleines Herz. Siehst du die Nebelschwaden, die vom Wasser des Sees her wehen? Deine Angst verwandelt sie in böse Geister, die ihre bleichen Finger verlangend nach dir ausstrecken. Sie rufen dich, sie versprechen dir Glück und Liebe ohne Ende, wenn du ihnen nur folgst.

Hüte dich, der Verlockung nachzugeben, Lady Rachel. Wenn die Wasser des Sees deine Füße in leichten Sandalen nässen, ist es zu spät, dann gibt es kein Zurück. Wie oft hat man dich schon gewarnt, dem Ufer zu nahe zu kommen. Abgrundtief ist der See an jeder Stelle. Die schwarzen Wolken, die der stürmische Wind übers Firmament jagt, ersticken deine hoffnunsgvollen Blicke und deinen einsamen Ruf. Ergreif die Hand, die sich dir aus dem Morgenrot des kommenden Tages entgegenstreckt, auch wenn du nicht weißt, wohin sie sich führen wird …


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