
Nun also endlich doch, am vergangenen Samstagabend hat es mich in das „Wohnzimmer des Prog“ verschlagen, in den Bergkeller in Reichenbach. Clubathmosphäre, wie ich sie mag, es geht alles sehr familiär zu, man ist hautnah dabei, wenn die Crew und die Musiker das Equipment aufbauen und erlebt auch den Soundcheck mit. Die Musiker mischen sich unter die Zuschauer, trinken ein Bier, essen einen Happen, geben gelegentlich auch Autogramme. Insofern ist der Bergkeller ein großartiger Ort der Begegnung und auf seine Weise einzigartig.
Für meinem ersten Besuch habe ich mir auch gleich einen Hochkaräter ausgesucht – Atomic Rooster. Die gehörten Anfang der Siebziger zu meinen Lieblingsbands, allein schon wegen Devil’s Answer. Einer meiner All-Time-Favourites. Die düstere Gothikstimmung und das Bedrohliche, was in dem Stück mitschwingt, haben meine Seele wohl mit zum Prog Rock bekehrt. Ich hatte in diesen frühen Jahren auch das große Glück, in Polen eine LP von Atomic Rooster kaufen zu können. Devil’s Answer war da zwar nicht mit drauf, dafür andere Klassiker wie z. B. Friday the 13th und Death Walks Behind You. Material von der etwas härteren Sorte eben.

Ein Vorprogramm gab es an diesem Samstag auch, da hat der umtriebige Veranstalter den italienischen Sänger Maximilian engagiert. Trotz einiger Probleme mit seinem Loop entfachte er großartigen Gitarrenzauber auf der Akustischen.
Im Bergkeller gibt es keine Bühne, man steht den Künstlern auf gleicher Ebene von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Selbst wenn man allein in vorderster Reihe stehen würde, wäre es unmöglich, aus dieser Nähe ein Foto in der Totalen von der kompletten Band bei der Arbeit zu machen.


Atomic Rooster wurden 1969 von Vincent Crane und Carl Palmer gegründet, die beide von der Crazy World of Arthur Brown kamen. Carl Palmer verabschiedete sich 1970 schon wieder von der Band, um fortan mit Keith Emerson und Greg Lake zusammenzuarbeiten. Vincent Crane spielte zwischenzeitlich bei Dexys Midnight Runners, bevor er 1987 Atomic Rooster neu formierte. Die Reunion fand mit seinem Tod 1989 dann allerdings ein jähes Ende. Mit der Zustimmung seiner Witwe touren Atomic Rooster seit 2016 in veränderter Besetzung wieder durch die Lande. Mit dazu gehören Gitarrist Steve Bolton und Sänger Peter French, die schon 1971 bis 1973 zum Line-up der Band gehörten. Besondere Aufmerksamkeit verdiente aber auch und vor allem der Wizzard an den Keyboards, der Multiinstrumentalist Adrian Gautrey, der nicht nur durch sein Äußeres, sondern auch durch sein extensives Spiel auf den Tasten für eine Weile den Geist der Siebziger wiederauferstehen ließ.

Es gab all die oben schon erwähnten Klassiker von Atomic Rooster zu hören, die live gespielt von einer unglaublichen Energie waren. Das Intro zu Death Walks Behind You auf dem Synclavier sorgte allein schon für richtiges Gänsehautfeeling, bevor die Rest der Band einstieg und der Song mit voller Wucht auf die Zuschauer hereinbrach.

Apropos Death Walks Behind You, bei dem stimmgewaltigen Sänger Peter French bekam man im Laufe des Abends immer mehr den Eindruck, dass der dunkle Gevatter tatsächlich hinter dem her sei. Mit fortschreitender Dauer des Konzertes konnte man ihm ansehen – vor allem wenn er, wie in diesem Fall, etwa eine Armlänge vom Zuschauer entfernt ist – dass es ihm alles andere als gut ging. Er gestand dann auch, dass er seit drei Tagen krank sei und in einem Krankenhaus wahrscheinlich besser aufgehoben wäre. Umso beachtlicher und beeindruckender, dass er auch stimmlich bis zum Ende durchgehalten hat. Das scheint wohl das Schicksal eines Frontmannes zu sein, der es nicht wie seine Kollegen hinter den Instrumenten etwas ruhiger angehen kann. Das Publikum hatte jedenfalls Verständnis dafür, dass es keine weitere Zugabe gegeben hat, der Abend war auf jeden Fall ein großartiges Konzerterlebnis gewesen.
Hier dann also Devil’s Answer. Das ist ein älteres Video von Atomic Rooster in anderer Besetzung.