Selten hat mich die Lektüre eines Buches so verstört, und am Ende auch verstört zurückgelassen.
Die Geschichte spielt in England in einer nicht genauer definierten, aber nicht allzu fernen Zukunft, im Mittelpunkt steht eine ältere, alleinstehende Frau. Sie ist mehr Beobachterin als Agierende, ein großer Teil der Handlung des Romans wird in ihren Gedanken reflektiert.
Die gesellschaftlichen Strukturen, wie wir sie kennen, sind in jener Zeit zusammengebrochen, es gibt weder eine geregelte Lebensmittelversorgung, noch Elektrizität, das Geld hat seinen eigentlichen Wert verloren, die Kommunikationssysteme funktionieren nicht mehr, Fernseher, Computer usw. haben keinen Wert mehr, es sei denn, als Ersatzteilspender für andere, nützliche Gebrauchsgegenstände. Die Menschen werden von anderen, für uns kaum vorstellbaren Problemen geplagt, sie sind dabei, irgendeine Ordnung in ihr Leben zu bringen, Nahrungsmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs zu beschaffen, die ihnen das Überleben ermöglichen.
Chaos und Anarchie beherrschen die Städte, herumstreunende Jugendbanden besetzen Häuser, machen die Straßen unsicher und plündern Geschäfte, es gilt das Gesetz der Gewalt. Es bilden sich Clans Gleichgesinnter, die gemeinsam davonziehen, in der Hoffnung, in anderen Gegenden des Landes lebenswerte Verhältnisse vorzufinden.
Die ältere Frau in dem Roman nimmt ein etwa zwölfjähriges Mädchen bei sich auf, die fortan für sie zum Lebensmittelpunkt wird, obwohl die Beziehung der beiden von Widersprüchen und innerer Spannung geprägt ist.
Das Mädchen wächst zur Frau heran, über ihre Kontakte zu den Clans Jugendlicher nimmt die Frau innerlich Anteil am Leben auf der Straße. Man fühlt beim Lesen ihre Verlustängste und die Sorge um das Mädchen und ihr anhängliches geliebtes gelbes „Tier“ namens Hugo, von dem nie ganz klar wird, ob es sich um einen Hund oder eine Katze handelt. Meist bezeichnet es die Ich-Erzählerin als „das Tier“.
Parallel zur Haupthandlung erschließt sich der älteren Frau, deren Gedanken die Wände des alten Hauses durchdringen, eine traumhafte, surreale Welt jenseits der Wirklichkeit, die in ihrer strengen, konventionellen Bürgerlichkeit beängstigend wirkt.
Das Buch endet mit einer Vision, die eigentlich optimistisch stimmen könnte; aber wie es Visionen so an sich haben, weiß man nie, ob sie tatsächlich Wirklichkeit werden oder alles nur noch schlimmer kommen wird. Die Handlung des Romans versetzte mich in die Stimmung, Letzteres anzunehmen. Das bedrückende Gefühl wollte mich einfach nicht verlassen. Vielleicht auch, weil einem beim Lesen immer mehr bewusst wird, dass die Wurzeln dieser zukünftigen Welt im Heute liegen, dass wir bereits Teil dieser unheilvollen Entwicklung sind, weil man selbst immer wieder erleben muss, wie in Teilen der Gesellschaft ein Werteverlust eingesetzt hat.
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