
Es ist schon klar, dass das Live-Konzert der Lieblingsband oder des Lieblingskünstlers nicht getoppt werden kann. Dazu kommt, dass das Gute manchmal näher ist, als man glaubt, oder besser gesagt, das Gute kommt von selbst sehr nahe. Was umso erfreulicher ist, denn dass Big Big Train, die bekanntermaßen seit längerer Zeit schon meine absolute Lieblingsband ist, einmal im Vogtland auftritt, damit hätte ich nun wirklich nicht gerechnet. Dabei ist Reichenbach so etwas wie das Mekka der Prog-Rock-Fans, zumindest in der Region. (In den Sitzreihen vor, neben und hinter mir hörte ich eine Menge oberfränkischen Dialekt) Der Bergkeller in Reichenbach gilt als Wohnzimmer des Prog Rock, nirgends kann man den Künstlern näher kommen als dort. Die größeren Acts treten aber im Neuberinhaus im Zentrum der Stadt auf. Wie an diesem Dienstag eben Big Big Train, die für ein gut gefülltes Haus und ein begeistertes Publikum sorgten.

Einstimmen auf das große Ereignis durfte die Band Dim Gray aus Norwegen. Dabei fiel mir auf, dass der Keyboarder dieser jungen Band verdammte Ähnlichkeit mit dem Keyboarder auf dem neuen Line-up von Big Big Train hatte. Es handelte sich tatsächlich um Oskar Holldorff, der inzwischen festes Mitglied bei Big Big Train ist und Carly Bryant an den Tasteninstrumenten ersetzt. Dim Gray produzieren auf dem Plattenlabel English Electric Recordings von Big Big Train. Da bietet es sich natürlich an, die junge Band gleich als Supporter mit auf Tournee zu nehmen. Nach dem kraftvollen, melodiösen Vortrag wurden die Musiker mit stehenden Ovationen verabschiedet. Wenn eine Vorband derart gefeiert wird, sagt das eine Menge über die Qualität ihrer Musik. Die Chancen, dass einmal sie der Hauptact eines Prog Rock Events sind, stehen nicht schlecht.

Dann rollte der Zug aus dem UK ungebremst mitten auf die Bühne, im Neuberinhaus tat sich das Tor in ein lichterfülltes Universum aus Lightshow und Musik auf. Die Band startete mit Folklore und brachte damit den Saal schon zum ersten Mal zum Überkochen. Zur Band gehörte auch eine vierköpfige Bläsergruppe, die vielen Titeln Tiefe verlieh.

Fortan gab es ein Programm durch (fast) alle Stationen, durch die der Big Big Train schon gerollt ist, von den Kultalben English Electric über Folklore bis zu ganz neuem Material. Neben Oskar Holldorff ist auch die Gitarristin Maria Babieri noch recht neu in der Band. Sie spielte ein paar wirklich großartige Soli und lieferte sich auch das eine oder andere Gitarrenduell mit Rikard Sjöblum. Wie sie stammt auch der neue Sänger, Alberto Bravin, aus Italien. Ich kann mir gut vorstellen, dass es nicht leicht ist David Longdon, der im November 2021 leider viel zu früh verstarb, zu ersetzen. Das kann wahrscheinlich niemand. Aber man konnte erleben, dass Bravin inzwischen die Musik von Big Big Train lebt und fester Teil dieser Gruppe geworden ist. Er hat einen ähnlich großen Stimmumfang wie sein Vorgänger.

Ungefähr in der Mitte des Konzertes bekam Schlagzeuger Nick D’Virgilio, den ich mal als das Herz von Big Big Train bezeichnen möchte – und das schlägt sehr präzise (auf die Trommelfelle ein) – seinen großen Auftritt. Es gab ein von ihm geschriebenes Instrumental für Brass und Drums mit einem großartigen Schlagzeugsolo zu hören. Machte Spaß, dem Meister bei der Arbeit zuzusehen und zuzuhören. Nick D’Virgilio ließ es sich auch nicht nehmen, die vier Blasmusiker persönlich vorzustellen. Anschließend griff er zur akustischen Gitarre, zusammen mit Rikard Sjöblum gab es eine semiakustische Erinnerung an David Longdon. Ein bewegender Moment in diesem Konzert.


Um Zugaben kamen natürlich auch Big Big Train nicht herum. Es gab deren zwei. Allerdings war keines der beiden Stücke kürzer als zehn Minuten. Unglaublich, wie schnell drei Stunden vergehen können.

Das Instrumental Apollo lief auch hier als Zugabe, das folgende Video wurde während eines Konzertes in Holland aufgenommen. Das Publikum in Reichenbach verabschiedete die Band allerdings viel, viel euphorischer. Das sei an dieser Stelle unbedingt angemerkt.