Posted by: eleucht | 18. September 2011

“Das Albtraumreich des Edward Moon” – Jonathan Barnes

Total verrückt – nicht nur die Handlung des Buches, sondern auch sämtliche agierenden Figuren. Geradewegs einem Albtraum entsprungen, der den geneigten Leser von einer Falle in die nächste tappen lässt, die aufzustellen dem Autor offenbar große Freude bereitet haben muss.

Edward Moon ist eigentlich Magier, der Nacht für Nacht in seinem „Theater des Unglaublichen“ auftritt. Längst haben seine Shows die anfängliche Faszination verloren.

Edward Moon leidet oft an Langeweile, dann gelüstet es ihm nach mehr, dann wird er zum Detektiv, der mit seinem messerscharfen Verstand der Londoner Polizei beim Aufklären schwieriger Fälle unter die Arme greift.

Einen Assistenten, sowohl bei seinen Kunststücken auf der Bühne als auch bei seiner Arbeit als Detektiv, hat er auch, sein Dr. Watson ist aber alles andere als ein trockener, nüchtern analysierender Mensch. Klar, inmitten dieses Monstrositätenkabinetts, das sich dem Leser auftut, ist auch er ein richtiger Freak, Schlafwandler genannt. Ein hünenhafter Kerl von unmenschlicher Kraft, so gut wie unzerstörbar, der allerdingst stumm ist und per Schiefertafel und Kreide mit der Umwelt kommuniziert. Außerdem trinkt er im Übermaß. Und zwar Milch.

Das London des Jahres 1907 schwebt in großer Gefahr. Edward Moon kommt während seiner Recherchen über einen Mordfall einer großen Verschwörung auf die Spur, an deren Entstehen die philosophischen Ideen eines großen englischen Dichters einen nicht unwesentlichen Anteil haben. Im Untergrund von London braut sich etwas zusammen.

Fliegenmenschen kreuzen Edwards Moons Weg, ein Albino, der in den Diensten eines ganz geheimen Geheimdienstes, Direktorium genannt, steht, ein kleiner, ausgesprochen hässlicher Mensch, der in der Zeit rückwärts reist und deswegen die Zukunft kennt, aber keine große Hilfe ist, da er in Rätseln spricht, zwei als Schuljungen gekleidete Killer, die sich beim Ausführen ihrer tödlichen Aufträge köstlich amüsieren …

Großartig die Sprache, in der die verrückte Geschichte erzählt wird, sie lässt das viktorianische Zeitalter im Leser wiederauferstehen. Selbst die grässlichsten Gräueltaten werden mit der geschliffenen, vornehm blasierten Distanziertheit des typisch britischen Snobs vorgetragen.

Eigentlich kein Wunder, dass eine von solchen irren Figuren vorangetriebene Handlung, die ständig überraschende Wendungen für den Leser bereithält, im Chaos endet.

Aber am Ende wird gründlich aufgeräumt. Kein Leser wird im Regen stehen gelassen.

 

 


Kommentar verfassen

Kategorien

%d Bloggern gefällt das: