Die Frage, ob man wirklich wissen muss, wie die Welt vor dem Urknall aussah, mag berechtigt sein. Schließlich liegt das alles so weit zurück, dass wahrscheinlich nicht mal mehr Jopie Heesters diese Zeit bewusst erlebt hatte. Aber was soll’s. Seit Einstein spricht man vom Urknall als dem Beginn unseres Universums, da tut sich ganz einfach die Frage auf: Was könnte davor gewesen sein?
Der Physiker Martin Bojowald nimmt den Leser nun mit auf eine Reise – nein, nicht direkt in die Welt vor dem Urknall, vielmehr in Welten der Wahrscheinlichkeit, wie sie in vielerlei Theorien zum Ausdruck kommen. Er tut das, mit Rücksicht auf die Leser, die die abstrakte Sprache der Mathematik nicht so recht verstehen, auf sehr bildhafte und verständliche Weise. Die Theorien, die im Zusammenhang und der Nachfolge von Einsteins Spezieller und Allgemeiner Relativitätstheorie entstanden sind und entstehen und die Kosmologie zu ergründen und zu erklären suchen, sind nun mal nur in der glasklaren, aber nicht für jedermann verständlichen Sprache der Mathematik in Form von Gleichungen darstellbar. Diese in Worte, in eine allgemein verständliche Sprache umzusetzen, stelle ich mir ausgesprochen schwierig vor. Martin Bojowald gelingt es glänzend.
Am Anfang des Buches stellt er sich die Frage: „Was ist aller wissenschaftlicher Fortschritt wert, wenn man ihn nicht vermitteln kann?“ Er kann. Und er tut es. Und den „unvoreingenommenen Laien“, die den Kreis der Rezipienten darstellen, tut sich ein wahres Universum an neuen Erkenntnissen auf, das keineswegs beim geschriebenen Wort endet, sondern zu weitergehenden Betrachtungen und Vorstellungen führt. Zumindest bis an die Grenze, die dann wieder die Mathematik darstellt. Die Lektüre hilft, Grenzen zu überwinden – auch die des eigenen Denkens – und zu erkennen, dass damit das Ziel noch lange nicht erreicht ist, dass jede neue Erkenntnis neue Fragen aufwirft und zu neuen Welten der Wahrscheinlichkeit führt.
Was nun vor dem Urknall war? Ja, man kann den Versuch einer Erklärung wagen, aber am Ende der Überlegungen wird man wissen, dass nichts davon sicher oder endgültig ist, dass sich alle Erkenntnisse innerhalb des Horizonts, den unser gegenwärtiges Wissen darstellt, bewegen. Unweigerlich kommt man in einen Bereich, in dem Physik und Philosophie ineinanderfließen.
Deswegen zum Schluss ein Zitat aus Friedrich Nietzsches „Die Geburt der Tragödie“, das Martin Bojowald seinem letzten Kapitel voranstellte:
„Dieser erhabene metaphysische Wahn ist als Instinkt der Wissenschaft beigegeben und führt sie immer wieder zu ihren Grenzen, an denen sie in Kunst umschlagen muss: auf welche es eigentlich, bei diesem Mechanismus , abgesehn ist.“
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