Verfasst von: eleucht | 30. Mai 2018

„Scharlatan“ – Claudia Weiss

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Scharlatan 001Am Anfang steht der Tod – war es ein Unfall oder Mord? Am Ende steht eine Geburt und eine Taufe.

1706 – in Europa tobt der Große Nordische Krieg. Friedrich August, Kurfürst von Sachsen und König von Polen, steht an der Seite des Zaren Peter I. von Russland gegen den schwedischen König Karl XII. Dazwischen der livländische Staatsmann Johann Reinhold von Patkul, der, verfolgt vom schwedischen König, als Sondergesandter des Zaren am sächsischen Hof lebt und dort in Haft genommen wird. In diesem Spannungsfeld bewegen sich die Figuren dieses Romans. Eigentlich eine gute Ausgangsposition für eine spannende Geschichte. Nicht unerwähnt soll die Tatsache bleiben, dass es sich bei der Autorin um eine promovierte Historikerin handelt.

Der Hamburger Anwalt Hinrich von Wrangel reist im Frühjahr des Jahres 1706 nach Könisgberg, um mit gleichgesinnten Kollegen eine Verteidigungsstrategie für den Freiherrn von Patkul zu entwerfen, der zu Unrecht in Sachsen gefangen gehalten wird. Während seiner Recherchen wird seine Kutsche überfallen – er verschwindet spurlos. Seine junge Frau Ruth glaubt nicht an seinen Tod, sie bricht zusammen mit ihrem treuen Diener auf, um nach Spuren ihres verschollenen Mannes zu suchen. Ihr Weg führt sie über Dresden und Berlin nach Königsberg. In den Wirren des Krieges kein einfaches Unterfangen. Um die Geschichte herum entwirft die Autorin ein Sittengemälde dieser Zeit – farbenprächtig, feudal und opulent wie der Hof August des Starken, grau, trist und lebensverachtend wie die russischen Sümpfe, in denen der Zar die Stadt St. Petersburg aus dem Boden stampfen lässt. Diese Welt ist geprägt von Menschenhandel und Leibeigenschaft, denn der Bau der Stadt verschlingt Material und Menschen wie ein Moloch.

Edel sei der Mensch, hilfreich und gut – in vielen Passagen des Romans eigentlich zu gut. Die holzschnittartig konstruierten Figuren können nicht wirklich überzeugen. Die treusorgende und schwangere Ehefrau, begleitet von einem sich bedingungslos aufopfernden Diener, nimmt ungeheure Strapazen auf sich. Sie ist sich auch nicht zu schade, inmitten der russischen Wälder zwei arme Landmädchen vor einer Schar wilder Kosaken zu retten. So gerät das freudige Wiedersehen von Hinrich und Ruth nach langer abenteuerlicher Reise eigentlich völlig unspektakulär. Das Prinzip Deus ex Machina – immer wieder tauchen Persönlichkeiten der Geschichte auf, die aus ausweglosen Situationen helfen – wird hier ganz einfach überstrapaziert. So bleibt am Ende für mich das Fazit, dass man diese Lektüre auch in der Höheren Töchterschule schadlos übersteht.


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