Posted by: eleucht | 5. November 2012

“Die Arena” – Stephen King

Dieser Roman ist, wenn man sich einmal auf ihn eingelassen hat, ein einziger Albtraum, einer von denen, aus denen es kein Entkommen gibt. So wie die Bürger von Chester’s Mill in ihrer Stadt gefangen sind, seit der Dom, eine Art Kraftfeld, auf sie niederkrachte und vom Rest der Welt trennte.

Dass man nicht wieder herausfindet beim Lesen, liegt vielleicht daran, dass Stephen King, wie er in seinem Nachwort erklärt, einen Roman schreiben wollte, in dem das Gaspedal ständig durchgetreten bleibt. Und das über zwölfhundert Seiten lang. Eine Tour de Force, aus der man nicht einfach aussteigen kann, ohne Gefahr zu laufen, sich das Genick zu brechen.

Die unsichtbare Kuppel über der amerikanischen Kleinstadt Chester’s Mill ist ein Stilmittel, das die Funktion eines Brennglases hat, durch das man einen kleinen Ausschnitt des Lebens in aller Schärfe verfolgen kann.

Für die Menschen in Chester’s Hill gibt es kein Entkommen aus der Kuppel, ebenso wenig ist mit Hilfe von „draußen“ zu rechnen. Und so manch einer hätte der Stadt gern den Rücken gekehrt. Alle wissen, die Ressourcen sind beschränkt. Außergewöhnliche Situationen wie diese stellen die Menschen vor große Herausforderungen. Vor allem ist es die Stunde der Demagogen, die nun alles an sich zu reißen versuchen, was ihnen unter dem Deckmantel der Verantwortung für das Gemeinwohl, der Nächstenliebe und der Weltenrettung noch mehr Macht und Einfluss verschafft. Big Jim Rennie, ein korrupter Gebrauchtwagenhändler sowie 2. Stadtverordneter von Chester’s Mill, ist so einer, und damit eine der bösartigsten Figuren, die dem Geist von Stephen King entsprungen sind. In den Augen des Lesers entfaltet sie sich zur Personifizierung des Bösen mit menschlichem Antlitz. Rennie hat keine Skrupel, den eigenen Sohn über die Klinge springen zu lassen, wenn es zu seinem Vorteil ist. Mord ist für ihn ein adäquates Mittel, um sich an der Macht zu behaupten. Dabei hat er stets einen Bibelspruch auf den Lippen. Der Zynismus erreicht seinen Höhepunkt, wenn Rennie Angehörige der Opfer in religiöser Verklärung mit stets dem gleichen Spruch zu trösten weiß: „Sie sitzen nun am Tisch des Herrn zum Abendessen.“ Meist weiß er sogar, was dort gerade auf den Teller kommt. Einen Menschen mit so einem direkten Draht nach ganz oben muss man einfach sein Vertrauen schenken. Wer es nicht tut, dem wir eh übel mitgespielt. Nicht auszuschließen – eher sogar sehr wahrscheinlich –, dass die Figur des Big Jim Rennie kein Produkt der Phantasie ist, sondern reale Vorbilder in der jüngeren Geschichte hat. Der Stadtverordnete spielt perfekt auf der Klaviatur Manipulation, er konstruiert Vorwürfe gegen seine Gegner, verbiegt die Realität in seinem Sinne, um die Leute wie eine Schafherde hinter sich zu scharen. Je abwegiger die Vorwürfe und Lügen sind, desto eher werden sie von einer aufgeputschten Menge geschluckt. (Kommt so manchem bestimmt recht bekommt vor.) Zum „Schutz der öffentlichen Einrichtungen und zur Sicherheit der Bürger“ baut er eine riesige Polizeitruppe auf, die ihm hörig ist. Junge Menschen, die weder richtig schreiben noch lesen können, dafür aber zur Gewalt neigen, sollen auf einmal Verantwortung übernehmen … Möchte nicht jeder gern auf der Seite der Starken, der Überlegenen sein?

Auf der anderen Seite formiert sich langsam Widerstand, dort finden sich die Loser, die Freaks, die Ausgestoßenen und die, die sich einen Rest Menschlichkeit bewahrt haben, die, welche weiter sehen und Zusammenhänge erkennen und das perfide Spiel Rennies durchschauen, unter ihnen viele Kids. Sie werden zu Gejagten.

Eins wird am Ende des Romans in aller Deutlichkeit klar, wenn man Menschen wie Rennie, die das Wort Gottes und die Religion missbrauchen, gewähren lässt und nichts dagegen unternimmt, führt ihr verantwortungsloses Tun für alle Menschen gleichermaßen geradewegs in die Hölle.


Kommentar verfassen

Kategorien

%d Bloggern gefällt das: