Aus so manchem Mund klingt der Satz „Ich habe volles Vertrauen in …“ beinahe schon wie ein Todesurteil. Für die namentlich angesprochene Person verwandelt sich das Vertrauen in ein Damoklesschwert, das an einem sehr dünnen Faden hängt, an dem nicht allein nur die öffentliche Meinung zerrt.
Überhaupt, wieso volles Vertrauen? Ist Vertrauen teilbar? Gibt es auch halbvolles Vertrauen, halbes Vertrauen, etwas Vertrauen, ein bisschen Vertrauen? Haben wir alle im Kopf eine Skala, die auf der einen Seite mit vollem Vertrauen beginnt und auf der anderen mit totalem Misstrauen endet und die unser Vertrauen in andere Menschen misst? Wie bezeichnet man dann die Mitte, praktisch den Nullpunkt, die Grenze zwischen Vertrauen und Misstrauen? Scheißegal vielleicht?
Nicht weniger Sorgen macht mir auch der inflationäre Gebrauch des Wortes „Vertrauen“, speziell von bestimmten Personen. Wir wissen inzwischen doch alle, dass es sich, kaum ausgesprochen, schon als leere Worthülse entpuppt. Wird damit nicht das Wort „Vertrauen“ seines Inhalts, seines tieferen Sinns und vor allem seines Wertes beraubt? Kann man wirklich jemandem Vertrauen entgegenbringen, der das Wort auf diese Weise ständig missbraucht?
Vielleicht ist es ja nur eine Phrase, die unter so vielen Phrasen, die uns tagtäglich um die Ohren gehauen werden, gar nicht mehr auffällt? Und schon gar nicht aufregt. Man weiß dann wenigstens, was das gebetsmühlenartig wiederholte Vertrauen in Europa und den Euro wert ist.
Ungefähr so viel wie die Versprechen in einem Wahljahr wie diesem. Spätestens nach jeder Wahl offenbart sich die Doppeldeutigkeit dieses schönen Wortes in vielfältiger Weise.
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