Posted by: eleucht | 5. Februar 2015

„Das Mysterium der Zeit“ – Monaldi & Sorti

MysteriumDer Konflikt zwischen Moslems und der westlichen Welt, wie er heutzutage wieder auf besondere Weise zu Aktualität gelangt, durchzieht die Geschichte des Abendlandes seit Jahrhunderten. Nur, seit wie vielen Jahrhunderten gibt es das Abendland? Und was ist an der Geschichte des Abendlandes Wahrheit, was erfunden? Diese Frage stellt sich nicht erst seit der Lektüre dieses Buches. Auch in anderen mehr oder weniger wissenschaftlichen Publikationen wird die Zeitrechnung, wie sie uns geläufig ist und wie sie uns gelehrt wurde, bezweifelt.

Es ist eine illustre Gesellschaft, die im Jahre 1646 nach dem Überfall von Piraten auf der Insel Gorgona im Toskanischen Meer strandet – Korsaren, Philologen, Kastraten. Letztere waren auf Einladung des Kardinals Mazarin unterwegs nach Paris, um dort eine Oper aufzuführen. Die Philologen und Bibliothekare, allesamt bedeutende Kapazitäten zu ihrer Zeit (Caspar Schoppe, Gabriel Naudé, um nur zwei zu nennen), folgten der Spur eines geheimnisvollen slawonischen Mönchs, der ihnen den Fund wertvoller Dokumente der Antike in Aussicht stellte.

Doch was ihnen schließlich an Schriftstücken auf der Insel in die Hände fällt, lässt bald nur den einen Schluss zu, dass es sich bei vielen Überlieferungen aus der Antike, von denen es keine Originale gibt, um Fälschungen handelt.

Die Haupthandlung des Romans, in der die Protagonisten von Piraten gefangen und entführt werden, auf einer verlassenen Insel stranden und dort allerlei abenteuerliche Situationen zu meistern haben, wird zur Nebensache, wenn neue Erkenntnisse die scheinbar bekannte Geschichte der alten Welt zum Einsturz bringen. Die viel geliebte und viel gelehrte Antike, mit deren Kenntnis so mancher gelehrte Wissenschaftler auch gerne protzt, soll nur das Produkt von Schwindlern und Fälschern sein? Große Geister wie Platon oder Aristoteles haben genauso wenig existiert wie die weltberühmte Bibliothek von Alexandria? Selbst Tacitus, auf dessen Werk über die Germanen sich das Selbstbild mancher Deutscher gründet, nur eine Erfindung? Die Zeitrechnung, die bis in die Gegenwart wirkt, ein willkürlich zusammengeschustertes Konstrukt?

Die Autoren haben eine Menge Sekundärliteratur studiert und sich vieler anderer Quellen bedient, um den Versuch einer Antwort auf diese Frage zu wagen. Und sie sind keineswegs die ersten, die das tun. Die Spuren in die Vergangenheit sind verwischt, es ist nur schwer bis gar nicht nachzuvollziehen, wer alles seine Finger im Spiel hatte und welches die Gründe für mögliche Geschichtsverfälschungen waren. Die Kirche, die die Zeit um ein paar Jahrhunderte streckte, um die eigene Geschichte aufzuwerten und die Entfernung zu Christus zu vergrößern? Die Pest, die im 14. Jahrhundert in Europa wütete und einem Drittel der damaligen Bevölkerung das Leben kostete, führte dazu, dass massenweise Dokumente und Urkunden gefälscht wurden, um Eigentumsverhältnisse neu zu klären. Um eine bestimmte Abstammung zu belegen, konnten auf diese Weise auch schon mal Herrscherdynastien verdoppelt werden.

Weit über achthundert Seiten, die in einem nicht einfach zu lesenden, schwülstig anmutenden barocken Stil geschrieben sind, lassen den Leser am Ende mit vielen Fragen zurück und regen zum Nachdenken an. Und seien wir ehrlich, Geschichtsverfälschungen finden auch heutzutage statt.


Antworten

  1. i
    am looking for english or polish edition,please help me to find one.thanx margo

    • I will try ist.


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