Verfasst von: eleucht | 6. März 2018

Reflexionen 2 – Spiegel

MirrorFor Eve

Ein bleiches Blinken in der Dunkelheit – wie Wetterleuchten in tiefster Nacht. Wo eben noch eisige Kälte durch den Körper kroch, macht sich nun ein Gefühl von Wärme breit. Macht schläfrig, verspricht die Süße eines schönen Traums. Die eisige Königin ist aus dem Spielfeld des Lebens gestoßen. Ihr Spiel ist aus. Oder etwa nicht? Was rüttelt dann ohne Unterlass mit großer Kraft am Fensterflügel? Er sollte nachsehen, doch die warme Behaglichkeit fesselt ihn ans Bett. Ein warmer Hauch scheint die Rosen aus dem Eis befreit zu haben, sie blühen leuchtend rot und gelb. Sie fangen seinen Blick ein, als wollten sie sagen: Hier bist du sicher, hier ist es warm. Hier hat die Schneekönigin keine Macht. Die kleinen trüben Fenster und die geblümten Vorhänge davor rufen ihn in die Welt zurück, wecken die Erinnerung. IMG_0694Er befindet sich in der Taverne, in die ihn Licht, Lachen, Musik und das Versprechen von Wärme und Geselligkeit gelockt hatten. Aus der Gaststube unter ihm dringt noch immer Lärm zu ihm hoch, es wird gesungen, geschrien und getanzt, als würde die Nacht niemals enden. Für ihn ist die Nacht zu Ende. Er erhebt sich aus dem Bett, lässt Gemütlichkeit und Behaglichkeit hinter sich. Draußen vorm Fenster wütet ein Sturm, treibt dunkle Wolken erbittert vor sich her. Sie sehen aus, als würden sie jeden Augenblick bersten und ihre kalte Schneelast auf die Erde werfen. Eisig blaue Augen verstecken sich hinter Morgennebeln. Sie suchen ihn. Er versteckt sich nicht vor ihnen. Er fürchtet sich nicht vor den eisigen Legionen, die sie ins Land schickt. Da ist auch sein treuer Freund. Die kleine Katze. Nun kuschelt sie sich in die Wärme des Bettes, die sein Körper dort zurückgelassen hat. Nach einem großen Abenteuer muss Katze ruhen. Am besten unter streichelnden Händen, mögen sie auch noch so rau sein wie die eines alten Seemanns. Mit einem zufriedenen Schnurren fallen der Katze die Augen zu. Der Seemann tritt vor den Spiegel, der das trübe Morgenlicht einfängt und widerwillig zurückwirft. Er bändigt seine Haare, die ungestüm nach allen Seiten abstehen, dann rasiert er sich die Bartstoppeln von Kinn und Oberlippe. Seine Augen verfolgen aufmerksam jede seiner Bewegungen. Die Routine eines jeden Morgens. Doch etwas scheint anders an seinem Spiegelbild zu sein. Die Bewegungen der scharfen Klinge in seiner Hand werden langsamer. Richtig, die Augen, die ihm entgegenblicken, schimmern in einem auffälligen Grünton. Um den Mund spielt ein Lächeln, das seiner ernsten, nachdenklichen Stimmung widerspricht. Außerdem sind die Lippen viel zu weich und zu sanft geschwungen, als dass es sich um seine eigenen handeln könnte. Seine Haut im Spiegel glättet sich, seine Haare färben sich dunkel und werden länger, fallen ihm bis auf die Schultern. Dieses Lächeln ist ihm wohlbekannt. Nach einem kurzen Augenblinzeln hat sich sein Gesicht im Spiegel in das ihre verwandelt. Er erwartet, dass sie sich, wie sie das so oft tut, mit einer leichten Bewegung des Kopfes ihre Haare über die Schultern wirft. Doch das tut sie nicht. Jede ihrer Bewegungen ist gleich der seinen. Senkt er den Kopf, tut sie es ihm gleich, dreht er den Kopf, folgt ihr Spiegelbild seiner Bewegung. Hebt er die Hand, tut sie das Gleiche. Jede noch so kleine Geste wiederholt sie in vollkommener Harmonie. Er vor dem Spiegel. Sie im Spiegel. Als wären sie eine Person in zwei Körpern, als wären sie mit einem unsichtbaren Band verbunden, als würden sie beide von den gleichen Gedanken und Gefühlen beherrscht. Hinter seinem Rücken eröffnet das Fenster den Blick auf eine Landschaft, auf die sich das Weiß frischen Schnees senkt. Ihr Gesicht im Spiegel aber wird eingerahmt von blühenden Blumen, blauem Himmel, in den ein paar federleichte Wolken getupft sind, und strahlendem Sonnenschein. Rosen umranken den Rahmen des Spiegels. Sie scheinen ein Portal darzustellen, durch das er nur zu gehen braucht. Und er weiß, diesmal erwartet ihn keine Schneekönigin und kein eisiges Herz. Er kennt die Geheimnisse des Gartens, wo sie ihn erwartet. Dort wird er sein Glück und seine Liebe finden. Das verrät ihm sein Herz. Das Lächeln sagt: Ich liebe dich. Er braucht den Schritt nur zu tun. Ihre Blicke kreuzen sich. Sehnsucht und Verlangen liegt in beiden. Komm! Geh! Wütend rüttelt der Sturm am Fensterflügel. Ist das alles nur eine Vision? Sein Schiff liegt vertäut im Hafen. Jenseits des Spiegels erstrahlt der geheime Garten im Sonnenlicht und atmet Liebe … IMG_9389 Kappeln


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